Donnerstag, 6. Januar 2011

Die virtuelle Visitenkarte

Also ok, ich gebs zu: ich bin chronischer Profilspanner. Wenn mich die große Langeweile plagt, ich aber partout keine Lust habe, irgendetwas sinnvolles zu tun, klick ich mich durch unzählige Profile. Ob männlich oder weiblich, spielt dabei nicht so eine große Rolle. Nur der Altersrahmen ist nicht allzu großzügig bemessen. Was interessiert mich denn, was Oma Erna aus Buxtehude treibt? Eben. Oma Erna bleibt außen vor.

Und - nun ja - wie soll ichs freundlich ausdrücken? Die meisten Selbstdarstellungen im Netz sind irgendwie kacke. Zu grell, zu bunt, zu doof. Da wird einem schon ein Medium gestellt, etwas Raum, um sich selbst zu präsentieren und dann immer der gleiche Mist. :(

Los gehts mit Sprüchen und Sprichwörtern. Je nach subjektiver Selbsteinschätzung des eigenen Intellekts findet sich hier eine reiche Palette an Lebensweisheiten. Besonders schlau finde ich Sprüche wie: Single - weil die Auswahl einfach scheiße ist. Prima! :/ Auch das wilde Kopieren fremder Zitate und Sprichwörter ist wenig originell. Jedenfalls sobald man die selben Texte zum gefühlten tausendsten Mal gelesen oder zumindest überflogen hat. Laaaaaaaaaaaaaangweilig!

Andere wiederum machen sich gar nicht so viel Mühe. Sie suchen sich stattdessen furchtbar glitzernde Bildchen aus den Untiefen des Webs, um sie unübersehbar auf ihre Seite zu setzen. Ob das urheberrechtlich immer so einwandfrei ist, sei mal völlig dahin gestellt. Auf jeden Fall ist's ziemlich einfältig, wo doch der Begrüßungstext in Onlineprofilen der Selbstdarstellung dient und dort nicht mehr als ein dämlich grinsender Blinketeddy prangt. Und außerdem fördert das Augenkrebs. Ganz bestimmt!

Auch doof sind schlecht kopierte Links zu anderen Seiten, vorzugsweise zu Musikvideos bei youtube. Und wer sich etwas von der grauen Masse abheben möchte, entscheidet sich vielleicht lieber für einen Konkurrenzanbieter. Das Ergebnis ist dasselbe: Musikgeschmack ist völlig individuell. Wer bitteschön klickt sich denn durch die gelinkten Seiten? Mir jedenfalls fehlt der Nerv dafür, zumal ja selten anhand der url erkennbar ist, was genau sich hinter dem Link verbirgt. Also auch irgendwie durchgefallen.

Dann gibts da noch die ganz Mutigen. Mutig deshalb, weil sie trotz angenommener Legasthenie sich nicht scheuen, das persönliche Wort an den Besucher zu richten. Und oje; da bin ich empfindlich! Ich habe Verständnis dafür, wenn jemand die Großschreib-Taste nicht findet und der Text gleichmäßig in kleinen Buchstaben geschrieben steht. Ebenso kann ich verkraften, wenn die Interpunktion nicht hundertprozentig hinhaut. Es ist schon ziemlich schwierig zu entscheiden, wo nun ein Komma steht, wohin besser ein Semikolon gehört oder dass ein Satz, sofern es sich nicht um eine Frage oder Aufforderung handelt, mit einem trivialen Punkt endet. Aber wow: mindestens Wörter, die sich schreiben, wie sie gesprochen werden, können doch fehlerfrei getippt werden oder? Und ist es denn zu viel verlangt, sich den selbst verfassten Beitrag noch mal durchzulesen und auf Inhalt, Ausdruck und Schlüssigkeit zu prüfen, bevor man ihn seinen Lesern zumutet?

Die letzte der hier zu erwähnenden Gruppe kann sich der oben genannten kratzbürstigen Kritik fein entziehen; es gibt weder was zu Lesen noch zu Kucken oder zu Hören. Es herrscht gähnende Leere auf dem ganz persönlichen Aushängeschild. Soll das geheimnisvoll wirken, Zurückhaltung signalisieren oder Raum für eigene Interpretationen geben? Weder noch, das ist ist schlicht und einfach nichts sagend.


Und wie gehts besser?

Ganz einfach. Mal kurz oder etwas länger darüber nachdenken, was man seinen Besuchern preisgeben und mitteilen möchte. Und das (wenn nötig mit Rechtschreibprüfung) in eigene Worte fassen. Auf einer Plattform heißt es Begrüßungstext, auf einer anderen vielleicht Statement. Das spielt keine Rolle. Wichtig jedoch ist, dass der erste Eindruck zählt und bei geschätzten 10 Milliarden anderen Profilen, durch die sich der erprobte Nutzer klickt, bleibt nur hängen, was individuell und einmalig ist.

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